1 Risiken der Kommunikation

Risiken im Gebrauch von Rechnern erregen immer häufiger das Interesse des Publikums. Viren, Würmer, Trojaner usw. verursachen beträchtlichen Schaden und sind daher ein interessantes Thema für Diskussionen in der Öffentlichkeit und in den Medien. Elektronischer Betrug, d. h. Missbrauch von Rechnern zur kriminellen Täuschung, wird selten publik, verursacht aber ebenfalls großen Schaden.

Alle diese Erscheinungen beruhen auf der Fähigkeit der Rechner zu kommunizieren (Daten auszutauschen); ihre Fähigkeit zur Datenverarbeitung spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Als die Rechner noch nicht durch Netze verbunden waren und nur (über Lochkarten, Lochstreifen oder Tastatur) mit ihren Besitzern kommunizierten, gab es die Erscheinung der Computer-Kriminalität und die Probleme der Rechnersicherheit so gut wie nicht.

Es ist daher angebracht, einen allgemeinen Blick auf die Kommunikation zu werfen, um diese Risiken und Probleme zu verstehen. Dabei werden wir sehen, dass viele davon bereits in ähnlicher Form in der nicht-rechnerbezogenen, "herkömmlichen" Kommunikation bestehen.

1.1 Arten der Kommunikation

1.1.1 Unmittelbare persönliche Kommunikation

Wenn wir unter Kommunikation den Austausch von Informationen mittels Symbolen verstehen, ist die älteste Form der menschlichen Kommunikation die Verständigung durch Gesten und Laute. Aus letzteren hat sich die gesprochene Sprache entwickelt. Sowohl die Kommunikation durch Gesten wie die durch Laute ist in der Reichweite sehr beschränkt; sie funktionieren nur auf einige Meter, höchstens einige Dutzend Meter. Außserdem arbeiten sie synchron; d. h. der Sender und der Empfänger einer Nachricht müssen gleichzeitig am Kommunikationsprozess teilnehmen.

Die ersten Symbole beruhten wahrscheinlich nicht auf Konvention (Übereinkunft); sie funktionierten durch natürliche Beziehung zwischen Symbol und Bedeutung. Zum Beispiel konnte man ein Vorkommen vn Beutetieren durch Zeigen eines Felles oder eines Geweihs bezeichnen, oder durch Nachahmung ihres Verhaltens oder ihrer Stimme. Vermutlich entstanden erst später konventionelle (vereinbarte) Symbole, die eine beliebige vorher festgelegte Bedeutung haben können. So kann das Schütteln der Faust Geschwindigkeit bedeuten, oder das Wort "Katze" ein kleines Raubtier.

1.1.2 Kommunikation über Entfernungen

Die Erfindung der konventionellen Symbole brachte einen großen Vorteil; denn solche Symbole hängen weniger vom Kommunikationsmittel ab. Zum Beispiel kann man dieselbe Nachricht durch Pfeifen, Schwingen eines großen (also weithin sichtbaren) Gegenstandes oder – nach Erfindung des Feuers – durch Leucht- und Rauchsignale übertragen. Solche Signale überwanden somit in gewissem Ausmaß die Entfernungsschranke der Kommunikation durch Laute und Gesten.

1.1.3 Schriftliche Kommunikation

Die beschriebenen Kommunikationsmittel sind nicht nur synchron, sondern stellen auch einen Prozess, eine zeitliche Abfolge von Bewegungen oder Tönen dar. Eine Kommunikation dieser Art ist flüchtig und daher zwangsläufig synchron; der Empfänger muss sie beobachten, während sie dargestellt wird. Außerdem hat solche Kommunikation auch strikte rämliche Grenzen; der Empfänger muss dem Sender nahe genug sein, um sie beobachten zu können.

Diese beiden Beschränkungen, die zeitliche und die räumliche, überwindet teilweise der Übergang von einer prozessartigen zu einer objektivierten Kommunikation, d. i. eine räumliche anstatt einer zeitlichen Anordnung von Symbolen. Die systematische Umsetzung dieses Gedankens stellen Schruftsysteme dar. Aber bereits vor deren Erfindung gab es objektivierte Symbole, zum Beispiel Anordnungen von Steinen oder Stöcken als Wegweiser, oder Kerben auf Stäben zur Darstellung von Zahlen.

Eine gegenständliche Nachricht kann große Entfernungen überwinden, wenn man den Gegenstand geeignet transportiert, und sie kann ein lange Zeit überbrücken (in der Richtung von der Vergangenheit zur Zukunft), wenn man den Gegenstand geeignet aufbewahrt. Wir können Briefe lesen, die auf einem anderen Erdteil geschrieben wurden, oder ein Buch, das vor Jahrhunderten geschrieben wurde. Diese Fähigkeit geschriebener Nachrichten, die Zeit zu überdauern, beschreibt das lateinische Sprichwort "verba volant, scripta manent" ("Worte verfliegen, Geschriebenes bleibt"). Im Rechnerzeitalter wird das manchmal abgewandelt zu "cliccata volant, scripta manent" ("Mausklicks verfliegen, Skripten bleiben").

1.1.4 Rechnerkommunikation

Kommunikation mittels Rechners ist in vieler Hinsicht analog zur schriftlichen Kommunikation: Es gibt keinen direkten Kontakt zwischen den Kommunikationspartnern, sondern nur einen Austausch von Nachrichten. Sogar wenn diese Nachrichten eine Video- und Audio-Darstellung des Senders gehören (Videokonferenz, Telekonferenz), stellen sie nicht das Original dar.

Ein bedeutender Unterschied zwischen der herkömmlichen schriftlichen und der Rechnerkommunikation liegt darin, dass letztere immer digital ist. Herkömmliche Kommunikation ist teilweise analog; auch wenn die Nachricht aus einzelnen Zeichen besteht (Buchstaben, Ziffern, Satzzeichen), haben diese Zeichen eine eigene Form (Handschrift, Schreibmaschine) und Größe; und auch Zeichnungen lassen sich einfügen. Außerdem gibt es einen materiellen Träger (Papier, Pergament, Stein usw.), der sich untersuchen lässt und zum Beispiel Hinweise darauf geben kann, von wem die Nachricht kommt. All das gibt es bei der Rechnerkommunikation nicht.

Zur Rechnerkommunikation gehört eigentlich auch das Telefax. Obwohl es die Formen von Buchstaben und Zeichnungen wiedergeben kann, besteht ein Fax nur aus Zeilen und Spalten von schwarzen und weißen Punkten. Unterhalb der Ebene dieser Bildpunkte lassen sich keine weiteren Einzelheiten ausmachen.

1.2 Gefahrentypen

Trotz der Unterschiedlichkeit der Kommunikationsmittel sind die Gefahren für alle grundsätzlich gleich. Es sind im Wesentlichen zwei:

• Abhören (Ausspähung): Angriff auf die Vertraulichkeit (Geheimhaltung) einer Nachricht
• Manipulation (Verfälschung): Angriff auf die Authentizität (Echtheit) einer Nachricht

1.2.1 Abhören (Ausspähung)

Ausspähen ist ein allgemeiner Ausdruck, der auf alle Arten der Kommunikation angewandt wird. Es gibt auch den Begriff Abhören, der sich vor allem auf die akustische Kommunikation (Gespräch, Telefongespräch) bezieht.

Da sich das Ausspähen gegen die Geheimhaltung einer Information richtet, sind nur solche Informationen davon betroffen, an deren Geheimhaltung irgend jemand interessiert ist. Man spricht hier von vertraulichen Informationen, die nur einer bestimmten Gruppe bekannt sind. Nicht alle Informationen sind vertraulich; so soll zum Beispiel Werbung so bekannt wie möglich sein. Man kann Vertraulichkeit so definieren:

Definition: Eine Information ist vertraulich, wenn

Es ist nicht erforderlich, dass die Information überhaupt jemandem bekannt ist. Es kann durchaus sein, dass eine bestimmte Information niemandem bekannt ist und jemand Interesse hat, dass das so bleibt.

In den meisten Formen lässt sich Information ohne Veränderung des Originals kopieren. (Einer Ausnahme werden wir begegnen, wenn wir über Quantenkryptographie sprechen.) Daher kann Ausspähung oder der Versuch dazu unbemerkt stattfinden. Es ist schwer, zu beweisen, dass Ausspähung stattgefunden oder nicht stattgefunden hat.

Beispiele für vertrauliche Informationen sind:

• Informationen aus dem persönlichen Intimbereich (Privatsphäre)
• personenbezogene Daten nach gesetzlicher Definition
• kommerzielle Informationen (Bilanz, Budget u. a.)
• kommerziell verwertbare Informationen
• Steuerliche Informationen (in den meisten Ländern vom Gesetz geschützt)
• Bankdaten (in unterschiedlichem Maß geschützt)

Nicht vertraulich sind zum Beispiel Informationen in einem veröffentlichten Buch (da sie jedem zugänglich sind). Allerdings sind viele Informationen allgemein zugänglich, also nicht vertraulich, jedoch Kopierbeschränkungen unterworfen (Texte, Musik, Bilder, Filme usw.). Kopieren solcher Informationen gegen den Willen des Autors ist mit Ausspähung verwandt, aber nicht identisch.

1.2.2 Manipulation (Verfälschung)

Manipulation von Daten ist eine Art von Veränderung, aber nicht jede Art von Datenveränderung ist bereits Manipulation. Eine Manipulation ist eine Änderung, die die Echtheit (Authentizität) einer Information bedroht. Echtheit kann man folgendermaßen definieren:

Definition: Eine Nachricht mit angegebenem Autor ist echt (authentisch), wenn sie wirklich von diesem Autor kommt.

Eine bloße Nachricht kann also weder echt noch unecht sein, sondern nur eine Nachricht mit Quellenangabe. Die Quelle kann eine Person (Autor) sein, aber auch ein physikalisches Gerät (Messfühler, Kamera, Mikrofon). Wenn die Nachricht wirklich von der angegebenen Quelle kommt, ist sie echt, sonst nicht.

Alle Arten von Nachrichten sind von Manipulation bedroht, sei es gezielte Verfälschung oder bloße Zerstörung. Mögliche Motive gibt es viele:

• Betrug mit dem Ziel, sich einen Vorteil zu verschaffen
• Untergrabung des Vertrauens zwischen Kommunikationspartnern
• Schädigung eines Geschäftskonkurrenten oder persönlichen Gegners
• Vandalismus (Lust am Zerstören)

Es ist leicht zu erkennen, dass man zwischen drei Grundarten der Manipulation einer Nachricht unterscheiden kann:

• Änderung des Inhalts einer Nachricht
• Erzeugung (Nachmachen) einer Nachricht und Zuschreibung an einen anderen Urheber
• Vernichtung einer Nachricht

Das Erzeugen einer nachgemachten Nachricht, manchmal auch eine bloße Veränderung, wird (Ver-)Fälschung genannt. Die "Nachricht" kann dabei auch ein Gegenstand sein, zum Beispiel eine Geldschein oder ein Gemälde.

Die Unterscheidung zwischen Nachmachen (Erzeugen einer neuen Nachricht und deren Darstellung, als käme sie von jemand anderem) und Veränderung (einer fremden Nachricht) ist in der Praxis von Bedeutung. Aus der herkömmlichen Kommunikation ist sie von Schecks her bekannt: Es ist oft leichter, die Summe auf einem vorhandenen Scheck zu fälschen als einen vollständigen neuen Scheck. Auch bei Geldscheinen besteht dieser Unterschied; so ist es möglich, zehn Geldscheine so zu zerschneiden und wieder zusammenzusetzen, dass sie auf den ersten Blick wie elf aussehen.

Die Vernichtung einer Nachricht kann Vorteile bringen. Kann etwa ein Geschäftsmann ein Angebot seines Konkurrenten vernichten, so erhöht er die Chancen für sein eigenes.

Da eine Manipulation definitionsgemäß eine Nachricht verändert, ist sie im Prinzip feststellbar, jedoch nicht immer beweisbar.